Schwimmen für den Zusammenhalt – 24 Stunden, 20 Jahre und eine Geschichte, die unter die Haut geht
Drei Kinder, 52,36 Euro – und der Beginn einer Rettung
Sie kamen mit einem kleinen Kuvert und übergaben 52 Euro und 36 Cent – den Erlös aus einem Flohmarkt. Drei Kinder, die damit ein Zeichen setzten, als es kaum Hoffnung gab. Es war im Winter 2022, kurz nach dem großen Wasserschaden. Das Hallenbad stand unter Wasser, die Technik war zerstört, die Zukunft ungewiss.
Doch diese Geste war der Anfang einer Welle: Eine Welle der Solidarität. Die Spende der Kinder berührte viele – es folgten weitere Hilfen von Familien, Vereinen, Unternehmen und Stiftungen. Gemeinsam retteten sie ein Bad, das mehr ist als eine Sportstätte. Ein Ort der Gemeinschaft.
24-Stunden-Schwimmen – mit Herz, Leistung und Unterstützern
20 Jahre nach Gründung der Hallenbad-Initiative Kemnat (HIK) wurde dieses Jubiläum mit einem Ereignis gefeiert, das besser nicht hätte passen können: dem 24-Stunden-Schwimmen – sportlicher Marathon, Dorffest und lebendiger Ausdruck von Zusammenhalt in einem.
Am Samstag, 17. Mai, stand Oberbürgermeister Christof Bolay am Beckenrand – und gab höchstpersönlich den Startpfiff. Ab diesem Moment wurde geschwommen, angefeuert, gezählt – und Gemeinschaft gelebt.
Die sportliche Bilanz ist beeindruckend:
- 279 Schwimmerinnen und Schwimmer
- 804.900 Meter Gesamtstrecke – das sind 32.196 Bahnen
- 40.500 Meter Einzelleistung bei den Frauen
- 27.000 Meter Einzelleistung bei den Männern
Begleitet wurde das sportliche Programm von liebevoll geplanten Aktionen: das Smoothie-Bike in Kooperation mit dem Obst- und Gartenbauverein Kemnat (OGV), das Mitternachtsschwimmen, Sunrise-Swimming mit Brezeln und Kaffee am Sonntagmorgen, Weißwurstfrühstück und Mittagstisch.
Ermöglicht wurde das Schwimm-Event auch durch die großzügige Unterstützung von Bahnsponsoren, die das 24-Stunden-Schwimmen mittrugen – darunter Zimmerei Gehrung, Malermeister Brandtner, Elektro Uli Breining, Metzgerei Schäch und die Boger GmbH – Bad & Heizung.
Ein Bad, das nie hätte bestehen dürfen – und doch da ist
Das Hallenbad Kemnat ist ein Kind der Stadt. Es wurde gebaut, als Ostfildern noch drei Bäder hatte – in Nellingen, Ruit und Kemnat. Doch knappe Kassen und der politische Druck zur Konsolidierung führten 2005 fast zur Schließung. Drei Bäder waren nicht zu halten – und das Kemnater Bad stand auf der Streichliste.
Doch die Bürgerinnen und Bürger sagten: nicht mit uns.
Der TV Kemnat und die DLRG Kemnat engagierten sich – es war die Geburtsstunde der gemeinnützigen Hallenbad-Initiative Kemnat e.V. (HIK). Seither wird das Bad ehrenamtlich betrieben. Woche für Woche, Kurs für Kurs, mit Herzblut und Verlässlichkeit.
2011 dann die nächste Bewährungsprobe: Die Druckerei Fink, die das Bad per Abwärme heizte, schloss. 60.000 Euro Heizkosten jährlich waren nicht zu stemmen. Erst durch die Idee von Dr. Marcus Bienzle und die Unterstützung von Stadt und Gemeinderat entstand das Blockheizkraftwerk, das seit 2012 kostengünstige Energie liefert.
2020 die Pandemie: neue Hygienevorgaben, reduzierte Gruppen, Aufwand in jeder Hinsicht. Und schließlich Weihnachten 2022: Ein defekter Technikbereich, 160.000 Liter Wasser im Keller, zerstörte Pumpen, Stromkästen, Geräte – und wochenlange Schließung.
Ein Netzwerk, das trägt
Doch dann kam sie – die Gemeinschaft. Es begann mit den drei Kindern und ihren 52,36 Euro. Und wuchs weiter: Die Bürgerstiftung Ostfildern, die Futterer-Stiftung, TVK, DLRG, die Pfingstweideschule, BW-Bank, Volksbank Mittlerer Neckar, zahlreiche HIK-Mitglieder, Eltern, Ehrenamtliche – sie alle trugen zur Wiedereröffnung bei.
Am 2. Mai 2023 öffnete das Hallenbad erneut seine Türen. Nicht, weil es musste. Sondern weil es gewollt wurde.
Mehr als Wasser: Ein Ort, der verbindet
Heute lernen nicht nur Kemnater Kinder im Hallenbad schwimmen – auch viele aus anderen Stadtteilen kommen hierher. Es ist ein Ort, an dem das Ehrenamt funktioniert. An dem Verantwortung übernommen wird. Und an dem sichtbar wird, was passiert, wenn eine Gemeinde nicht abwartet, sondern handelt.
„Ehrenamt bedeutet, Zeit zu schenken – aber man bekommt auch sehr viel zurück: Vertrauen, Gemeinschaft und das Wissen, etwas Sinnvolles zu tun“, sagte Martina Sybel zum Abschluss ihrer Jubiläumsrede.
Das Hallenbad Kemnat bleibt – nicht, weil es muss, sondern weil es gewollt wird. Von allen. So sehr, dass sogar Kinder ihr Erspartes dafür geben.