Naturschutzbund Ostfildern lädt Gemeinderat und Kandidaten zur Ortsbegehung ein
Am Sonntag, den 02.06.2024, lud der Naturschutzbund Ostfildern (NABU) die Mitglieder des aktuellen Gemeinderats und die Kandidaten zur Kommunalwahl ein, um den Ort aus der Perspektive der Naturschützer zu betrachten. Geplant war ein Rundgang durch Ostfildern, doch der einsetzende Starkregen machte eine ausgiebige Wanderung unmöglich. Trotz der zunächst positiven Stimmung musste die Gruppe am Rohrbach in Scharnhausen einsehen, dass das Wetter zu widrig war. Daher verlegte man das Treffen ins NABU-Heim in Nellingen.
Dort nutzte man die Gelegenheit zum intensiven Austausch. Der NABU stellte die aktuellen Probleme und Herausforderungen aus seiner Sicht dar und präsentierte konkrete Lösungsvorschläge. Die Gemeinderäte und Kandidaten konnten ihre Fragen direkt an die Experten richten.
Konkrete Vorschläge des NABU zur Förderung der Artenvielfalt in Ostfildern
Im Bereich der Ausgleichsflächen plädiert der NABU für eine umfassende Bestandsaufnahme und Korrektur aller Ausgleichsflächen innerhalb der Gemarkung Ostfildern. Dies beinhaltet die Festlegung der Grenzen und Biotopziele der Ausgleichsflächen sowie regelmäßige Kontrollen, zum Beispiel alle fünf Jahre. Der NABU fordert zudem, dass alle relevanten Unterlagen bereitgestellt und ein regelmäßiger Austausch mit der Stadt gewährleistet wird, wobei das OGIS-System stets aktualisiert sein muss. In Beispielen legte der NABU dar, dass Flächen zwar ausgewiesen wären, aber die Art der Fläche auf dem Papier mit der Realität nicht übereinstimme.
Zur Entwicklung artenreicher Wiesenflächen schlägt der NABU vor, dass diese mindestens sechs Kennarten auf städtischen Flächen, auch auf verpachteten, umfassen sollen. Eine regelmäßige Kontrolle der Flächen ist notwendig, wobei insbesondere die Nährstoffversorgung und der Schnittzeitpunkt berücksichtigt werden müssen. Der Einsatz von Kreiselmähwerken mit Aufbereitern sollte vermieden werden, da sie tödlich für Insekten sind. Zudem soll die optimale Pflege der FFH-Mähflächen, die der Stadt gehören, sichergestellt werden.
Ein weiteres Anliegen des NABU ist die Pflege und Erhaltung der Streuobstbäume. Es wird gefordert, die Mistelbestände insbesondere in Kemnat, auch auf Privatflächen, stark zu reduzieren. Ein Konzept zur Bekämpfung der Misteln sollte erarbeitet und eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden. Unterstützung von Privatpersonen bei der Pflege ist ebenfalls vorgesehen. Regelmäßige Kontrollen und Ahndungen bei fehlenden Bäumen sind notwendig, da die meisten unter Schutz stehen, sobald sie eine zusammenhängende Fläche von 1500 m² Streuobstbestand erreichen. Hier legte der NABU ein Beispiel vor, bei dem eine Vielzahl von Bäumen auf Grundstücken einfach gefällt worden seien.
Die Beratung der Landwirtschaft ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Der NABU schlägt vor, artenreiches Grünland zu fördern und Blühbrachen für Offenlandbrüter wie Feldlerche und Rebhuhn einzurichten. Der Einsatz von Balkenmähwerken soll hierbei ebenfalls unterstützt werden.
Im FFH-Gebiet Kemnat soll die Stadt Flächen erwerben, um die Schutzziele zu erreichen. Es soll vermieden werden, dass städtische Flächen an Privatpersonen verkauft werden. Eine Überprüfung des Verschlechterungszustands der Flächen ist hierbei unerlässlich.
Ökokonto: Ein Instrument für nachhaltigen Ausgleich
Eingriffe in Natur und Landschaft sind nach Naturschutzrecht auszugleichen. Ein effektives Instrument dafür ist das Ökokonto, das ermöglicht, vorgezogene Maßnahmen bei späteren Eingriffen als Kompensationsmaßnahmen anzurechnen. Das Ökokonto dokumentiert und verwaltet diese Maßnahmen, bis sie einem Eingriff zugeordnet werden. Maßnahmen konkret sind im sogenannten OGIS (Ostfildern-Ge-Informations-System) zu sehen. Maßnahmen der Stadtbahn werden derzeit überarbeitet und sind deshalb nicht sichtbar. Die unterschiedlichen Farben im OGIS stellen dar, wer den Eingriff in die Natur und Umwelt verursacht hat. Es werden nur Maßnahmen in der Grafik dargestellt, die bereits zugeordnet wurden. Verschiedene Maßnahmenflächen können zu einer Gesamtmaßnahme unter einem Aktenzeichen zusammengefasst sein.
Was sind Ausgleichsflächen?
Ausgleichsflächen sind spezielle Bereiche von Land, die geschaffen oder geschützt werden, um die negativen ökologischen Auswirkungen von Bau- oder Entwicklungsprojekten zu kompensieren. Sie sind ein wichtiges Instrument im Umwelt- und Naturschutzrecht und dienen dazu, die Eingriffe in die Natur und Landschaft, die durch Bebauung, Straßenbau oder andere Infrastrukturprojekte verursacht werden, auszugleichen oder zu mindern.
Diese Flächen kompensieren Eingriffe, indem sie neue Lebensräume schaffen oder bestehende Naturräume aufwerten. Durch ihre Einrichtung wird die Biodiversität gefördert und ökologische Funktionen wie Wasserrückhaltefunktionen, Bodenbildung, Luftreinhaltung und Klimaregulation werden ersetzt oder verbessert. Rechtlich sind Bauherren oft verpflichtet, Ausgleichsflächen zu schaffen, wenn ihre Projekte erhebliche Eingriffe in Natur und Landschaft mit sich bringen. Langfristige Pflege und Überwachung dieser Flächen sind notwendig, um ihre ökologischen Ziele zu erreichen.
Durch die Einrichtung von Ausgleichsflächen wird versucht, ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Naturschutz zu finden, um langfristig nachhaltige Lösungen für den Umgang mit natürlichen Ressourcen und Landschaften zu gewährleisten. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, das Artensterben in Ostfildern zu bekämpfen und die Natur langfristig zu schützen. Der NABU hofft auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Stadt und den Bürgern, um gemeinsam eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.